Geschwister Well – der Schürhaken und seine Klangfreunde

Teaser zur Kritik über Geschwister Well in der Stuttgarter Zeitung

Teaser zur Kritik über Geschwister Well in der Stuttgarter Zeitung


(Stuttgarter Zeitung vom 23. April 2013)

Die Geschwister Well haben im Theaterhaus musiziert.

 Von Michael Werner

So lustig sind sie halt in Bayern, „Wer nimmt die Oma – die liegt im Koma!“, schmettern die Geschwister Well. Wirklich außergewöhnlich ist. dass die 93-jährige Mutter der drei Schwestern und der drei Brüder höchstselbst im Dirndl auf der Bühne des Theaterhauses sitzt. Im nächsten Lied spielt die ein bisschen Zither. Denn das sind ja die schönsten Filme und die schönsten Romane: die, in denen sich Menschen aus dem Unbill des Lebens zurück in den Schoß der Familie retten, wo am Ende alles gut wird, irgendwie. So geschehen auch bei den Wells: Die Brüder Christoph (Stofferl) und Michael bildeten bis vor Kurzem zwei Drittel des genialen Brüdertrios Biermösl Blosn. Nachdem das Trio zerbrach, schlüpften die beiden Brüder gemeinsam mit ihrem bisher eher im Verborgenen wirkenden Bruder Karl bei der Großfamilie unter, wo nun auch drei für gewöhnlich als Wellküren firmierende Schwestern musizieren. Zu sechst (oder, beim Gastauftritt der Mutter, auch zu siebt) bearbeiten sie höchst kreativen zutiefst bajuwarisches Instrumentarium, das wohlhabender Hausmusik entstammen könnte – oder auch besonders extravagantem Pop: Der AC/DC-Klassiker „Highway to Hell“ erschallt nun in der Da-Teifi–soi-eam-hoin-Fassung mit Harfe, Hackbrett und Konzertgitarre, dazu erst drei Blockflöten und später noch Tuba und Saxofon.

Außerdem erschallen an diesem Abend, der geborgener klingt, als er womöglich gemeint ist, verschiedene Ziehharmonikas, Posaunen, Nonnen- und sonstige Trompeten, Mostkübel, Kochtöpfe und Maultrommeln, eine Klarinette sowie eine rasant gekurbelte Drehleier. Herrlich, wie Christoph Well, der Virtuoseste von allen, und sein Bruder Michael abwechselnd einzelne Töne aus der Geige und aus dem Banjo tröpfeln lassen. Wunderbar, wie ein alter Schürhaken durch den Abend geistert – und die Frage, wer en damals im Laufstall damit weshalb verletzt hat. Schön, wie gespielter Familienstreit den Alltag des Zuschauers relativiert: Da beschwert sich Christoph, dass die gitarrenstimmende Burgi sein Harfensolo stört. „Du bist doch ein einziges Solo“, entgegnet sie. Die Geschwister Well setzen der Berieselung der Daily Soaps aus dem Fernsehen ein Maß an selbstironischer Authenzität entgegen, das man als Yearly Soap im Theaterhaus immer und immer wieder genießen könnte.

Dass die Geschwister Well neben all der Musik auch noch Kabarett machen („Bob Dylan hat oberpfälzische Abstammung“) – ja mei. Das stört nicht. Das ist zuweilen sogar sehr unterhaltsam. Aber eigentlich würden sie gar keine Worte benötigen. Auf sehr schlaue weise aufsässig sind sie schon, indem sie ihre Lieblingsbeschäftigung öffentlich machen: sensationelle Hausmusik.

 

 

 

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