Keine Spur von Idylle: Geschwister Well in Landsberg
(Augsburger Allgemeine vom 6. Mai 2013) Drei Brüder, drei Schwestern und eine musikalische Familienaufstellung
Von Bärbel Knill
Geschwister Well in Landsberg: Sie sind eine Familie, die in ihrer Konstellation wohl einzigartig ist und bleiben wird. Eine Familie mit 15 Geschwistern, und alle sind in einem Umfeld ständiger Hausmusik groß geworden. Die Familie Well hat mit den Volksmusik- und Kabarettensembles Biermösl Blosn und Wellküren Theater und Stadthallen gefüllt. Nachdem die Biermösl Blosn nicht mehr exisitiert, haben sich sechs der Well-Geschwister zu einer Formation zusammengetan, in der sie so höchstens als Kinder auf der Bühne standen. Die Geschwister Well präsentierten im Rahmen des Landsberger Kulturspektakels im ausverkauften Sportzentrum ihr Programm „Fein sein, beinander bleibn“.
Ein anderer möglicher Titel wäre „Familienaufstellung“ gewesen, aber dafür hätte die Anzahl der Personen auf der Bühne nicht ausgereicht. Zumindest die hoch betagte Mama der Truppe kam mit auf die Bühne, die Autorität, die dem amüsanten geschwisterlichen Gezänk immer wieder als letzte Instanz herhalten musste („Gell, Mama, so war’s“). Die Geschwister Well, das sind die Wellküren Burgi, Bärbi und Moni sowie die Brüder Michael, Christoph (Stofferl) und Karl. Jede und jeder von ihnen beeindruckte durch seine Vielfalt, spielte mehrere Instrumente und sang, und das alles höchst gekonnt. Ganz familiär ging es zu auf der Bühne, und das Publikum bekam trotz der großen Halle das Gefühl, beim Proben im Wohnzimmer dabei zu sein.
Nachdem gleich zu Beginn das Sportzentrum, der „architektonisch wertvolle“ Bau, sein Fett abbekommt („und so frühlingshaft dekoriert …“), steigt das Sextett mit „Mia samma drei Brüder“ gleich ins Thema Geschwisterkonkurrenz ein. Und lässt auch den Rest des Abends keinen Zweifel daran, dass das familiäre Zusammenleben in keiner Weise der idyllischen Vorstellung entsprach, die mancher Zuschauer sich davon macht. Wie ein (blut-)roter Faden zieht sich die Geschichte vom Schürhaken und dem Stofferl seinem Nasen-Blutsturz durchs Programm, den der Dreijährige nur mit einer Transfusion überlebte.
Jedes Geschwister hat da seine eigene Version, wie das passiert ist, und manches Kartoffelsalat-Trauma rührt von daher. Das Gezänk gipfelt in einem musikalisch-instrumentalen Streit, mit dem hämischen Saxofon, der weinenden Klarinette, der aufbrausenden Tuba und der wichtigtuerischen Trompete. Gleich drauf folgt das romantisierende „Fein sein, beinander bleibn“ und beleuchtet grell den Kontrast zwischen idyllischem Ideal und Realität. Die Wells bauen kein romantisches Bild von sich auf, sondern gehen mit sich selbst ebenso hart ins Gericht wie mit anderen. Dabei kann es schon mal derb, oder, wie Stofferl sagt, „extra-ordinär“, werden, vor allem, wenn es um die CSU und Horst Seehofer geht. In einem „Metabolic Couplet“ machen es sich Dobrindt, Söder und Konsorten in Seehofers Darm gemütlich …
Doch dann gehen die Wells erst einmal auf Welttournee, zum Cultural Octoberfest nach Texas, gesponsert von einem amerikanisch-deutschen Weißwurst-Joint-Venture unter Beteiligung von Uli Hoeneß. Dann ab zu den oberbayerischen Kulturtagen Schanghai, dazu bieten die drei Schwestern eine zungenbrecherische Neuauflage des bayerisch-chinesischen Lisl-Karlstatt-Liedes, upgedatet auf die neue Zeit. Für Schottland haben alle Well-Geschwister beeindruckend gut das schottisch Tanzen gelernt, zur Melodie der „Lustigen Holzhackerbuam“, auf dem Dudelsack gespielt von Christoph. Zur Finanzierung des Ganzen muss natürlich noch ein Werbe-Jingle her, für die hier ansässigen Pharmakonzerne: In „Mir tut mei Zeh so weh“ bekommt der arme Bruder Michael ein Medikament nach dem anderen, bis der Pfarrer kommt und ihm gar nix mehr weh tut.
Unendlich wandelbare Wells
Dass man AC/DCs „Highway to Hell“ auch auf dem Hackbrett spielen kann – auch wenn dieses dann zu rauchen anfängt – beweist Moni Well, und erntet Jubel für ihr „Da Deifi soi nan hoin“, unterstützt durch skurrile Herren-Soli an Blockflöten und Blasinstrumenten. Die Wells sind schier unendlich wandelbar. Sie spielen Mittelalterliches mit der Drehleier. Sie spielen New-Orleans-Dixie mit Banjo. Sie rappen „milli-tant“ für die faire Milch mit „Forty Cent“. Sie spielen Ravels Bolero und lassen ihn mit Klezmer und Schuhplattler enden. Sie spielen die Carmen-Ouvertüre auf drei Nonnentrompeten und drei Brummtöpfen. Sie spielen ein Alphorntrio-Medley von Beethoven bis Yellow Submarine. Und sie singen vom Dreigsang bis zum alten Satz „Innsbruck, ich muss dich lassen“. In guter Tradition sind sie aufmüpfig gegenüber den Amtsinhabern der Politik – die Kirche kam diesmal ungeschoren davon. Als Zugaben gab es ein paar Gstanzln, die der Hadertauer, dem Hoeneß, dem Schüttel-Schorsch und dem Dobrindt noch mal so richtig eins mitgaben.