Seehofers Darm und ein Saiteninstrument-Verhüterli

Foto: Markus Schüssler

Foto: Markus Schüssler

Ausverkaufter Kongresshaus-Auftritt – Beste Stimmung im Publikum

Berchtesgaden – Die Biermösl Blosn ist Geschichte, aber wo Well draufsteht, ist immer noch Well drin: Echte bayerische Volksmusik ohne jede Tümlichkeit und Berührungsängste, dafür mit scharfen politischen Texten. Während Hans Well nun mit seinen Kindern Tabea und Jonas auf Tour ist, haben sich Stofferl und Michael mit ihrem Bruder Karl und den drei »Wellküren« Bärbi, Burgi und Moni zusammengetan und präsentieren unter dem harmlosen Titel des alten Liedes »Fein sein, beinander bleibn« ein gar nicht so harmloses Programm. Am Sonntag machten die sechs Well-Geschwister Station im Kongresshaus.

Mittlerweile 49-mal war ihr Programm in den Münchner Kammerspielen zu sehen, mit wechselnden Gästen von Gerhard Polt bis zu Campino. Da aber Probenräume in München rar und teuer sind, wie Michael erzählt, weichen die Wells gerne in die Peripherie aus oder – wie sie das nennen – in die »Provence«. Gerne auch in sanierungsbedürftige Hallen. Die Zuschauer im ausverkauften Kongresshaus sind also Zeugen einer öffentlichen Probe für den Auftritt der Wells beim amerikanischen Oktoberfest, und das Programm wird mehrmals von fingierten Anrufen des amerikanischen Auftraggebers unterbrochen, dem man mitteilt, man bereite sich gerade in »a little village near Marktschellenberg« auf den großen Auftritt vor.

Zwerg Grabner und der Hackl

Die Anspielung auf den Zustand des Kongresshauses bleibt nicht die einzige Spitze, mit der die Wells beweisen, dass sie nicht einfach ihr Programm herunterspulen, sondern sich mit der lokalen Situation auseinandersetzen: Gut kommt dabei weder der Hackl Schorsch weg, den die Wells nicht zum Nachbarn haben wollen, noch Landrat Georg Grabner, über den es in einem Gstanzl heißt, am herausragendsten sei er, wenn er zwischen zwei Gartenzwergen stehe.

Die Schürhaken-Attacke

Es gibt keinen klaren Frontmann bei den Wells, und so tischen drei verschiedene Geschwister den Zuschauern über den Abend verteilt drei verschiedene Versionen der Geschichte mit dem Schürhaken auf: Ob nun Moni ihren Bruder Stofferl im Alter von eineinhalb Jahren beinahe mit dem Schürhaken erschlagen hätte, weil dieser nicht Doktor spielen wollte, oder ob sich Stofferl als dreijähriger Grobmotoriker – »des is a heid nu« – selbst zu Fall gebracht hat, worauf die vermeintliche Tatwaffe in den Laufstall seiner kleinen Schwester flog, die damit zur unschuldigen Tatverdächtigen wurde, das wird nicht endgültig aufgeklärt. Über jeden Zweifel erhaben aber ist die musikalische Vielseitigkeit und sichtliche Spielfreude der Geschwister: Zur Melodie von AC/DCs »Highway to hell« lassen es die drei Schwestern mit Hackbrett, Gitarre und Harfe ordentlich rocken und setzen Monis Ex unter dem Titel »Da Deifi soi n‘ hoin« ein musikalisches Denkmal. Zum Schluss qualmt sogar Rauch aus dem Hackbrett. Stofferl heizt dem Saal mit dem bairischen Rap »40 Cent« ein und bringt das Publikum dazu, für einen fairen Milchpreis mitzuskandieren. Die Forderung nach einem Milchpreis von 40 Cent vertritt auch der BDM – »nicht, was die Älteren meinen, sondern der Bundesverband deutscher Milchviehhalter«; bei Stofferl reicht die Klimax dessen, das brennt, wenn diese Forderung nicht erfüllt wird, von Müller Milch über Aldi bis zu ganz Bayern.

»Linke Sau« und Seehofers Darm

Politisch bleibt es bei den Wells, auch wenn sie ihre alten Feindbilder – die Kirche und die CSU – überdacht haben. Im Vergleich zu Strauß und Stoiber sei Seehofer ja geradezu eine »linke Sau«. Denjenigen, die Seehofers Darm bevölkern, wie es deftig heißt, ist ein eigenes Lied gewidmet. Und die Pharmaindustrie bekommt zu »Eam duad sei Zeh so weh« ihr Fett weg: Michaels Schmerzen im Zeh werden mit immer neuen Medikamenten behandelt, die zu immer neuen Nebenwirkungen führen, die dann wiederum mit neuen Medikamenten behandelt werden – so lange, bis Michael keine Schmerzen mehr hat, weil ihn die Medikamente umgebracht haben. So bitterböse wie musikalisch gekonnt kommt das daher, mit Tempo und perfektem Timing. Alle sechs Wells wissen stimmlich und an einer Vielzahl von Instrumenten zu überzeugen, von der Maultrommel bis zum Alphorn. Insbesondere Stofferl brilliert immer wieder als Solist an der Trompete. Überzeugend ist aber vor allem auch das Zusammenspiel, das nur dann nicht harmonisch ist, wenn es auch nicht harmonisch sein soll, wie bei einer musikalischen Familienaufstellung, die eigentliche lange gärende Konflikte bereinigen soll, aber auf irrwitzige Weise aus den Fugen gerät. Für eine Probe ist das alles nicht schlecht.

Saiteninstrument als Verhütungsmittel

Neben der politischen Ebene des Programms ist das Familienleben immer wieder ein Thema, und man erfährt, dass es mit dem Liebesleben nicht so einfach ist, wenn man als eines von insgesamt 15 Geschwistern aufwächst. Als sie in das kritische Alter gekommen seien, hätten die Eltern den Mädchen geraten, ein Saiteninstrument zu lernen, das sei ein gutes Verhütungsmittel – »und se miassn’s ja wissen«. Und zwischendurch erfährt man dann noch, was Uli Hoeneß über Sepp Blatter denkt: »Die Kleinen sperrt man ein, die Großen lässt man laufen.« Nach rund zwei Stunden bildet das titelgebende »Fein sein, beinander bleibn« den Abschluss des Programms. Die sechs Wells singen A-capella und verschwinden langsam im Dunkeln. Well done. Markus Schüssler

Quelle: Berchtesgadener Anzeiger

 

 

 

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